An einem ganzen normalen Tag im Recruitment… (Part I)

Der Recruitment-Alltag hält uns ständig auf Trab und wer schon eine gewisse Zeit in dem Business arbeitet, kann sicherlich die eine oder andere tolle, abendfüllende Geschichte erzählen, was man alles schon erlebt hat…

Ich möchte darum die folgende Anekdote mit euch teilen und bin überzeugt, dass sich viele in der einen oder anderen Situation wiederfinden werden und dass es einige «Schmunzler» geben wird.

Sie soll aber auch aufzeigen, was nötig und wichtig ist in unserem Business. Wir sollten stets unser Handeln in Frage stellen, um immer besser zu werden.

Man stelle sich vor:

Ein neuer Kunde hat eine wichtige Position zu besetzen, am liebsten noch eine, die seit einer gefühlten Ewigkeit offen ist. Nun soll ich diejenige Person sein, die helfen kann.

Ich bespreche die Eckpunkte der Position am Telefon oder setze mich kurzfristig mit dem Kunden in einem Meeting zusammen.

Hierbei sind natürlich auch die Vermittlungskonditionen und die sonstigen Geschäftsbedingungen ein Thema.

Wenn dies nicht vom Kunden direkt angesprochen wird, empfehle ich das unbedingt selbst anzusprechen. Wir wollen ja später keine Überraschungen!

Der Kunde fragt nach, wie fix diese sind und ob es noch Verhandlungsspielraum gäbe? Es fühlt sich aber mehr nach einem Abtasten bzw. Erkundigen an und ich spüre keinen Nachdruck.
Ein Klassiker!

Je nach Situation und Möglichkeit kann/sollte/muss man hier hart bleiben. Man will ja nicht gleich bei jeden neuen Auftrag nachgeben…

Nach dem Gespräch schicke ich dem Ansprechpartner ein E-Mail, fasse das Gespräch nochmals zusammen und hänge zudem die Geschäftsbedingungen an.

Wie beim Gespräch vereinbart, legen wir mit der Suche nach dem richtigen Kandidaten los. Dann kommt ein paar Tage später eine E-Mail vom Kunden hinsichtlich unserer Geschäftsbedingungen. Er hätte diese nochmals intern besprochen und man wünscht noch ein paar Änderungen bezüglich Garantieleistung, Rückzahlungsoptionen etc.

Wir einigen uns und die Suche geht weiter – von den Konditionen war zum Glück nicht mehr die Rede…

Erste Kandidaten werden die Tage darauf präsentiert (natürlich werden hier die angepassten Geschäftsbedingungen wieder mitgeschickt). Die kommenden Wochen finden erste Gespräche mit den Kandidaten statt, der Top-Favorit wird zu weiteren Gespräche eingeladen und es finden auch verschiedene Tests, Assessments, Referenzüberprüfungen etc. statt.

Doch zu guter Letzt entscheidet sich der Kunde GEGEN den Top-Kandidaten, obwohl eigentlich alles sehr positiv gelaufen ist und die Feedbacks nach den Gesprächen immer sehr vielversprechend waren! Zudem verwunderlich, da der Kunde keine Alternativ-Kandidaten hat…

Man sollte natürlich vorderhand gegenüber dem Kunden Verständnis für die Entscheidung zeigen, sich aber natürlich erkundigen, aus welchem Grund man dem Kandidaten abgesagt hat.
Zudem zusichern, dass man weiter nach guten Kandidaten schaut und sich wieder meldet. Aber ein Kopfschütteln kann man sich sicherlich nicht verkneifen…

Dass hier Gedanken aufkommen wie etwa: Was soll das überhaupt? Lohnt es sich hier dranzubleiben? Was denkt der Kunde überhaupt, was wir hier machen und was mein Job ist?

Klar, habe ja nichts anderes zu tun als praktisch wieder von vorne anzufangen lieber Kunde!

Nach weiteren Versuchen Kandidaten für diese Position gewinnen, meldet sich der Kunde nach ca. 2 Wochen wieder bei mir und erkundigt sich nach der Verfügbarkeit des bereits ABGESAGTEN Kandidaten.

Hä?? Was?? Habe ich das richtig verstanden oder träume ich? Was hat sich nun in den letzten 2 Wochen geändert und wieso dieser Sinneswandel?

Also rufe ich den Kandidaten an, dem man ja bereits vor zwei Wochen abgesagt hat, und der ziemlich sauer reagiert hatte. «Lieber Kandidat, Sie glauben es nicht, wer mich gerade angerufen hat…»

Zum Glück können wir den Kandidaten überzeugen ein weiteres Gespräch wahrzunehmen und sich die Sache nochmals anzuhören.

“Ja klar lieber Kunde, unser Kandidat kommt auch gerne zum gefühlten 100sten Mal bei Ihnen vorbei, redet gerne nochmals über dieselben Dinge, trifft nochmals dieselben Leute und er/sie hat sowieso gerade nichts Besseres zu tun!”

Schlussendlich erhält der Kandidat ein Angebot und er unterschreibt den Arbeitsvertrag. Uff, endlich… ich mache drei Kreuze an die Wand! Aber leider habe ich mich zu früh gefreut…

Nachdem alles vermeintlich abgeschlossen ist, verschicken wir natürlich unsere Rechnung.

Der Kunde ruft an und zeigt sich überrascht über die Rechnung und die Konditionen… Man hätte mir doch mitgeteilt, dass das so nicht geht und dass man maximal Betrag X bezahlen könne…

“Was, wie bitte? Befinde ich mich gerade im falschen Film?”

Dass einem hier die Luft im Hals stecken bleibt, ist normal und ich in Gedanken schon längst aufgelegt habe, auch!!

Stattdessen bleibe ich natürlich professionell und weise den Kunden nett auf die E-Mails hin, in denen wir uns vor einigen Wochen über die Konditionen/Bedingungen schriftlich geeinigt haben.

Der Kunde kann das natürlich abstreiten und meint, dass sich nun die Spielregeln aus verschiedenen Gründen geändert haben. Wenn ich diese Vermittlung machen will, dann müssten wir die neuen Konditionen akzeptieren. Ansonsten könne der Kandidat vermutlich nicht starten und weiteres Business können wir uns dann sowieso abschminken…

Bäähm, das hat gesessen! Spätestens jetzt steigt der Blutdruck ins Unermessliche und die Arbeitskollegen rundum merken, dass sie lieber ein paar Meter Abstand halten.

Nachdem ich mich beruhigt, genügend geflucht und über den Kunden abgelästert habe, rufe ich den Kandidaten an und erkundige mich nach dessen Wohlbefinden hinsichtlich des neuen Jobs etc. (erwähnen Sie hier bitte keine Details aus dem Gespräch mit dem Kunden…).

Ich erfahre, dass dieser gerade gekündigt hat und sich unglaublich auf den neuen Job freut!

“Super! Es wird immer besser und ich frage mich, ob ich mir jetzt oder später einen Schluck Whiskey aus der Flasche in meinem Pult genehmigen soll – um 11 Uhr morgens!

Eine Vermittlung zu schlechteren Konditionen machen, um die Möglichkeit zu behalten, in Zukunft weitere Abschlüsse bei dem Kunden machen zu können? Oder hart bleiben und dadurch riskieren, dass der Kandidat den Job wirklich nicht bekommt (blufft der Kunde nur?), wir «unser Gesicht verlieren» und wir keine weiteren Vermittlungen mehr bei diesem Kunden tätigen können…?

Was meint ihr? Wie soll es nun weitergehen?

Part II dazu folgt bald…

Michael Wanner